"Acta Pilati" - Der Brief des Pontius Pilatus an Kaiser Tiberius

Der Brief enthält angeblich den Rapport des römischen Statthalters Pontius Pilatus an seinen Vorgesetzten, Kaiser Tiberius, über die Ereignisse rund um Jesu Prozess und Hinrichtung. Ob es sich tatsächlich um den authentischen Bericht handelt, mag der Leser anhand des Kommentars am Ende des Briefs prüfen; uns hat er jedenfalls sehr berührt. Er bestätigt, dass Jesu Lehren und sein Tod wirklich eine außergewöhnliche Dimension hatten.

Hier also der Brief, der ursprünglich in Lateinisch geschrieben wurde, in deutscher Übersetzung:

An Tiberius,
Cäsar von Rom

Edler Cäsar, Grüße: die Ereignisse der letzten paar Tage in meiner Provinz hatten solch einen Charakter, dass ich Euch die vollständigen Details schildern will, so wie sie sich zugetragen haben. Und es würde mich nicht wundern, wenn diese im Laufe der Zeit das Schicksal unserer Nation verändern würden; denn es scheint, dass in der letzten Zeit all die Götter aufgehört hätten gnädig zu sein. Ich bin fast geneigt zu sagen: Verflucht sei der Tag, an dem ich Valerius Gratus in der Regierung von Judäa nachgefolgt bin, denn seit dieser Zeit ist mein Leben eine Verkettung von Ungemach und Elend gewesen.

Bei meiner Ankunft in Jerusalem zog ich in den Amtssitz ein und ließ alles für ein prunkvolles Fest vorbereiten, wozu ich den Tetrarchen von Galiläa einlud, zusammen mit dem Hohepriester und seinen Offizieren. Zum festgelegten Zeitpunkt erschienen keine Gäste. Dies betrachtete ich als Beleidigung meiner eigenen Würde und der Würde der ganzen Regierung, die ich repräsentiere.

Einige Tage später geruhte der Hohepriester mich zu besuchen. Seine Haltung war behäbig und trügerisch. Er ließ verlauten, dass seine Religion ihm und den Seinen verbot, mit Römern an einem Tisch zu sitzen, zu essen und Gemeinschaft zu haben. Aber das war nur ein scheinheiliger Vorwand, denn sein Gesicht verriet die Heuchelei. Nichtsdestotrotz hielt ich es für angebracht, seine Entschuldigung zu akzeptieren.

Von diesem Moment an war ich überzeugt, dass die Besiegten sich zu Feinden der Sieger erklärt hatten, und ich wollte die Römer warnen, sich vor dem Hohepriester dieses Landes in Acht zu nehmen. Sie würden wohl selbst ihre eigene Mutter verraten, wenn sie dadurch eine Funktion mit einem Luxusleben bekommen könnten.

Es schien mir, dass von allen eroberten Städten Jerusalem am schwierigsten zu regieren sei. Die Menschen sind so ungestüm, dass ich derzeit in Furcht vor einem Aufstand lebe. Ich habe nicht genug Soldaten, um ihn zu unterdrücken. Ich hatte nur einen Zenturio und hundert Menschen unter meinem Befehl: ich bat den Präfekten von Syrien um Verstärkung, der mir jedoch mitteilte, selbst kaum über genug Truppen zu verfügen, um seine eigene Provinz zu verteidigen. Ein unersättlicher Durst, das Reich auszudehnen, ohne die Mittel dazu zu haben, lässt mich befürchten, dass dies zum Sturz unserer ganzen Regierung führen könnte.

Ich lebte abgesondert von der Masse, denn ich wusste nicht, wie der Hohepriester die Bevölkerung zu Aktionen beeinflussen würde. Nichtsdestoweniger trachtete ich danach, soweit es in meinem Vermögen lag, die Gedanken und Haltung des Volkes zu bestimmen.

Unter den verschiedenen Gerüchten, die mir zu Ohren gekommen waren, gab es eines, das meine Aufmerksamkeit besonders auf sich zog. Ein junger Mann, so wurde gesagt, war in Galiläa erschienen und predigte mit einer edlen Salbung ein neues Gesetz im Namen des Gottes, der ihn gesandt hatte. Im Anfang war ich besorgt, dass es sein Plan sein könnte, die Menschen gegen die Römer aufzuhetzen, aber meine Befürchtung wurde bald vertrieben. Jesus von Nazareth sprach eher als Freund der Römer als der Juden.

Eines Tages, als ich an der Stelle Siloam vorbeikam, wo ein großer Menschenauflauf war, bemerkte ich inmitten der Scharen einen Mann, der - an einen Baum gelehnt - sich ruhig an die Menge wandte. Mir wurde gesagt, dass das Jesus war. Das hätte ich leicht erraten können, so groß war der Unterschied zwischen ihm und denen, die ihm zuhörten. Sein goldfarbenes Haar und Bart gaben seiner Erscheinung einen himmlischen Bezug. Er schien ungefähr dreißig Jahre alt zu sein. Noch nie habe ich ein anmutigeres oder friedlicheres Aussehen gesehen. Welch ein Kontrast zwischen ihm und seinen Zuhörern mit ihren schwarzen Bärten und ihren gebräunten Gesichtern!

Da ich ihn lieber nicht durch meine Anwesenheit stören wollte, setzte ich meinen Spaziergang fort, aber wies meinen Sekretär an, sich in die Menge zu mischen und zuzuhören. Der Name meines Sekretärs ist Manlius. Er ist ein Enkel des Obersten der Verschwörer, die, wartend auf Cataline, in Eturia verblieben. Manlius war schon lange Zeit Einwohner von Judäa und ist mit der hebräischen Sprache gut vertraut. Er war mir ergeben und meines Vertrauens würdig.

Als ich den Amtssitz betrat, fand ich Manlius, der mir die Worte erzählte, die Jesus bei Siloam gesprochen hatte. Nie habe ich in den Werken der Philosophen irgend etwas gelesen, das verglichen werden könnte mit den wahrheitsgetreuen Erklärungen von Jesus. Einer der rebellierenden Juden, an denen Jerusalem so reich ist, fragte Jesus, ob es richtig ist, dem Cäsar Steuern zu zahlen. Er antwortete ihm: "Gib dem Cäsar, was dem Cäsar gehört, und an Gott die Dinge Gottes."

Es war wegen der Weisheit in seinem Reden, dass ich ihm soviel Freiheit zugestand, denn es lag in meiner Macht, ihn zu verhaften und nach Pontus zu verbannen. Das wäre jedoch in Widerspruch mit dem Recht gewesen, das die römische Obrigkeit im Verfahren mit Menschen immer charakterisiert hat. Dieser Mann war weder aufrührerisch noch aufständig.

Ich streckte daher meinen Schutz weiter über ihm aus, wiewohl ihm selbst das wahrscheinlich unbekannt war. Er hatte die Freiheit zu handeln, zu sprechen, Zuhörer zu versammeln, sich an das Volk zu richten und Jünger auszuwählen, ohne Einschränkung durch jegliche amtliche Anordnung. Sollte es jemals geschehen (mögen die Götter das Vorzeichen abwenden), sollte es jemals geschehen, sage ich, dass die Religion unserer Vorväter von der Religion Jesu verdrängt werden sollte, dann würde Rom seinen vorzeitigen Tod dieser edlen Toleranz zu verdanken haben, während ich, unglücklicher Wurm, das Werkzeug dessen gewesen wäre, was die Juden "Vorsehung" nennen und wir "Bestimmung".

Diese uneingeschränkte Freiheit, an Jesus zugestanden, reizte die Juden - nicht die Armen, sondern die Reichen und Machthaber. Es ist wahr, Jesus war streng gegen die Letztgenannten, und nach meiner Meinung war das ein politischer Grund, um die Freiheit des Nazareners nicht zu begrenzen.

"Schriftgelehrte und Pharisäer," konnte er zu ihnen sagen, "ihr seid eine Brut von Ottern; ihr gleicht gestrichenen Gräbern. Ihr zeigt euch gut vor den Menschen, aber ihr habt den Tod in euch." Ein anderes Mal konnte er über die Almosen der Reichen und Hochmütigen spotten und ihnen sagen, dass der Quadrans des Armen in Gottes Augen viel kostbarer sei.

Jeden Tag erreichten den Amtssitz Beschwerden über die Unverschämtheit Jesu. Ich wurde auch informiert, dass ihm ein Unglück zustoßen könnte; dass es nicht das erste Mal wäre, dass Jerusalem die steinigte, die sich selbst Propheten nannten. Man würde eine Beschwerde an den Cäsar richten. Wie auch immer, meine Handlungsweise war durch den Senat gebilligt und mir wurde Verstärkung versprochen, sobald der Krieg mit den Parthern beendet wäre. Selbst zu schwach, um einen Aufstand zu unterdrücken, beschloss ich, die Sache auf eine Weise zu handhaben, die den Frieden in der Stadt fördern könnte, ohne den Amtssitz niedrigen Zugeständnissen zu unterwerfen. Ich schrieb an Jesus und bat ihn, für eine Unterredung zum Amtssitz zu kommen. Er kam!

Ihr wisst, dass in meinen Adern eine Mischung aus spanischem und römischem Blut fließt, das keine Furcht kennt und nicht leicht berührt wird. Als der Nazarener seine Aufwartung machte, spazierte ich in meiner Galerie, und es schien mir, als seien meine Füße durch eine eiserne Hand mit dem marmornen Pflaster verbunden, und ich bebte an allen Gliedern wie ein Übeltäter, wiewohl der Nazarener so ruhig war wie die Unschuld selbst.

Als er sich mir dicht genähert hatte, blieb er stehen, und es schien, als ob er durch ein Zeichen zu mir sagte: "Ich bin hier," obwohl er nicht ein Wort sprach.

Eine lange Weile betrachtete ich mit Bewunderung und Ehrfurcht diesen außergewöhnlichen Typ Mann, einen Typ, der einer großen Anzahl von Gemälden, die als Form und Modell für Götter und Helden dienten, unbekannt war. Es war nichts in ihm, das den Charakter von Abwehr trug, und doch fühlte ich eine große Furcht und Schaudern davor, mich ihm zu nähern.

"Jesus," sagte ich schließlich zu ihm - und meine Zunge stammelte -, "Jesus von Nazareth, die letzten drei Jahre habe ich Euch reichliche Freiheit zu reden zugestanden, was ich nicht bedauere. Eure Worte sind die eines Philosophen. Ich weiß nicht, ob Ihr jemals Sokrates oder Plato gelesen habt, aber dies weiß ich, dass in Eurem Vortrag eine majestätische Einfachheit ist, die Euch weit über diese Philosophen erhebt. Der Cäsar ist hierüber informiert, und ich, als sein niedriger Vertreter in diesem Land, bin froh, Euch diese Freiheit verliehen zu haben, derer Ihr so würdig seid.

Dennoch will ich euch nicht verhehlen, dass Eure Redeweise Euch starke und verstockte Feinde erweckt hat. Nicht dass dies eine Überraschung ist. Sokrates hatte seine Feinde und fühlte sich als Opfer ihres Hasses. Die Euren sind doppelt erzürnt: auf Euch als Reaktion auf Eure Abhandlungen, die so stark an Inhalt sind, und auf mich, aus Gründen der Freiheit, die ich Euch gewähre. Sie beschuldigen mich sogar indirekt, mit Euch zusammenzuarbeiten, mit dem Ziel, die Hebräer der wenigen Macht zu berauben, die Rom ihnen noch gelassen hat.

Meine Bitte - ich sage nicht 'mein Befehl' - ist, dass Ihr in Zukunft vorsichtiger und gemäßigter auftreten und sie mehr beobachten möchtet, damit Ihr nicht den Hochmut eurer Feinde aufwecken mögt und sie nicht das dumme Volk gegen Euch aufhetzen, und sie mich zwingen, die Instrumente des Gesetzes zu gebrauchen."

Sharon-Rose

Der Nazarener antwortete mir ruhig: "Fürst dieser Erde, Eure Worte entspringen nicht wahrer Weisheit. Sagt zum Gebirgsbach, in der Mitte der Schlucht stehen zu bleiben; er würde die Bäume im Tal entwurzeln. Der Gebirgsbach würde Euch antworten, dass er den Naturgesetzen des Schöpfers gehorche. Gott allein weiß, wohin die Wasser des Gebirgsbaches fließen. Wahrlich, ich sage Euch, bevor die Rose des Sharon blüht, wird das Blut des Gerechten vergossen werden."

"Euer Blut soll nicht vergossen werden", sprach ich tief bewegt; "Ihr seid, wegen Eurer Weisheit, in meiner Wertschätzung viel kostbarer als all die aufgeregten und stolzen Pharisäer, die ihre durch die Römer zugestandene Freiheit missbrauchen. Sie schwören gegen den Cäsar und verkehren seine Mildtätigkeit in Furcht, indem sie den Leseunkundigen den Eindruck geben, dass Cäsar ein Tier ist, das ihre Ausrottung sucht. Unverschämte Wichte. Sie sind sich nicht bewusst, dass der iberische Wolf sich manchmal mit einem Schafsfell kleidet, um seine gemeinen Pläne auszuführen. Ich will Euch gegen sie beschützen. Mein Amtssitz wird ein Asyl sein, unantastbar Tag und Nacht."

Jesus schüttelte gleichmütig den Kopf und sagte mit einem ernsten, aber vorauswissenden Lächeln: "Wenn der Tag gekommen sein wird, wird es keine Schutzhütten für den Sohn des Menschen geben, weder auf der Erde, noch unter der Erde. Die Schutzhütte des Gerechten ist da", zum Himmel weisend. "Das, was in den Büchern der Propheten geschrieben steht, muss erfüllt werden."

"Junger Mann," antwortete ich mild, "Ihr zwingt mich, meine Bitte in einen Befehl umzuwandeln. Die Sicherheit der Provinz, die mir anvertraut ist, verlangt dies. Ihr müsst in eurem Reden mehr Mäßigkeit üben. Übertretet meinen Befehl nicht, Ihr kennt die Folgen. Mein Glück sei mit Euch, lebt wohl!"

"Fürst dieser Erde," antwortete Jesus, "ich komme nicht, um Krieg in die Welt zu bringen, sondern Frieden, Liebe und Freude. Ich wurde geboren an dem Tag, an dem Cäsar Augustus der römischen Welt Frieden gab. Verfolgungen entspringen nicht aus mir. Ich erwarte sie von anderen und will ihnen entgegentreten nach dem Willen meines Vaters, der mir den Weg gezeigt hat. Haltet daher Eure irdische Politik zurück. Es liegt nicht in Eurer Macht, das Opfer am Fuß des Tabernakels der Versöhnung festzunehmen." Als er dies gesagt hatte, verschwand er wie ein heller Schatten hinter den Vorhängen der Galerie; zu meiner großen Erleichterung, denn ich fühlte eine schwere Last, von der ich mich nicht befreien konnte, solange ich in seiner Nähe weilte.

Herodes Antipas

Die Feinde Jesu wandten sich dann an Herodus, der über Galiläa regierte, um sich an dem Nazarener zu rächen. Wäre Herodus nach seinem eigenen Gutdünken zu Werke gegangen, hätte er Befehl gegeben, Jesus unmittelbar zu Tode zu bringen; aber, wie stolz auch seine königliche Würde war, er zögerte, eine Handlung auszuführen, die seinen Einfluss im Senat verkleinern könnte, oder er war, ebenso wie ich, ängstlich wegen Jesus. Dennoch würde ein römischer Offizier sich niemals von einem Juden abschrecken lassen.

Eines Tages besuchte Herodes mich im Amtssitz. Als er, nach einer etwas belanglosen Konversation, aufstand, um wegzugehen, fragte er mich nach meiner Meinung über den Nazarener. Ich antwortete ihm, dass Jesus mir wie einer der großen Philosophen vorkäme, die große Nationen manchmal hervorgebracht haben; dass seine Lehren in keiner einzigen Hinsicht verletzend seien, und dass es die Absicht von Rom sei, ihm die Redefreiheit zu lassen, die durch seine Taten gerechtfertigt waren. Herodus lächelte boshaft und ging, mich mit ironischem Respekt grüßend, seines Weges.

Das große Fest der Juden näherte sich, und man beabsichtigte, sich aufzumachen zu einer Art Volksfest, das der Zeremonie des Passahfestes vorausgeht. Die Stadt war überfüllt mit aufgeregten Menschen, die lautstark den Tod des Nazareners verlangten. Mein Gesandter informierte mich, dass die Schatzkammer des Tempel dazu diente, Menschen zu kaufen. Die Gefahr wurde drückend.

Ein römischer Hauptmann war beleidigt worden. Ich hatte dem Präfekten von Syrien geschrieben wegen 100 Mann Fußvolk und ebenso viel Kavallerie. Er lehnte das ab. Ich sah mich allein mit einer Handvoll Veteranen inmitten einer rebellierenden Stadt, zu schwach, um einen Aufstand zu unterdrücken, mit keiner anderen Wahl, als ihn zu tolerieren. Sie hatten Jesus ergriffen, und die Randalierer - da sie vom Amtssitz nichts zu befürchten hatten, in der Überzeugung, dass ich den Aufstand dulden würde - setzten ihr Gebrüll fort: "An den Pfahl! An den Pfahl mit ihm!"

Drei mächtige Parteien hatten sich zu der Zeit gegen Jesus verbunden: zuerst die Herodianer und Sadduzäer, deren aufrührerisches Handeln aus doppelten Motiven zu entspringen schien. Sie hassten den Nazarener und konnten das römische Joch nicht ausstehen. Sie hatten mir niemals vergeben, dass ich die heilige Stadt mit Bannern betreten hatte, die das Bild des Römischen Kaisers trugen; und wiewohl ich in dieser Sache den fatalen Fehler zugegeben hatte, war das Sakrileg in ihren Augen nicht weniger grausam. Noch eine andere Beschwerde nagte in ihrem Busen. Ich hatte vorgeschlagen, einen Teil der Tempelschatzkammer zu gebrauchen, um ein Gebäude für den öffentlichen Gebrauch zu errichten. Mein Vorschlag wurde verachtet.

Die Pharisäer waren bekannte Feinde Jesu. Sie sorgten sich nicht um die Regierung. Sie ertrugen mit Bitterkeit die strengen Rügen, die der Nazarener ihnen drei Jahre lang ununterbrochen gegeben hatte, wohin immer er ging. Zaghaft und zu schwach um selbst zu handeln, hatten sie den Streit der Herodianer und der Sadduzäer aufgegriffen. Außer diesen drei Parteien hatte ich noch gegen eine rücksichtslose, ungebändigte Menge zu kämpfen, die jederzeit bereitstand, um einen Aufruhr zu unterstützen und aus der Unordnung und der Zwietracht, die daraus entstehen würden, Profit zu schlagen.

Jesus wurde vor den Hohepriester geschleppt und zum Tode verurteilt. Es geschah in jenem Moment, dass der Hohepriester Kaiaphas einen Akt der Unterwürfigkeit verrichtete. Er schickte seinen Gefangenen zu mir, um seine Verurteilung zu bekräftigen und und die Ausführung abzusichern. Ich antwortete ihm dass, wenn Jesus ein Galiläer sei, der Fall unter die Rechtsbefugnis des Herodus fiele, und gab Auftrag, ihn dorthin zu senden. Der listige Tetrarch [Herodus] bezeugte Demut, gab seine Wertschätzung an den Oberleutnant des Cäsars und vertraute das Schicksal des Mannes meinen Händen an. Bald bekam mein Palast das Aussehen einer belagerten Festung. Von Moment zu Moment würde ihr Unmut größer. Jerusalem war überschwemmt von Menschenmassen aus den Bergen von Nazareth. Es schien, als sei ganz Judäa in die Stadt ausgegossen.

Ich hatte meine Frau aus dem keltischen Volk genommen. Sie behauptete, dass sie in die Zukunft schauen könne. Schreiend und sich selbst zu meinen Füßen werfend sprach sie: "Hüte dich! Hüte dich! Und rühre diesen Mann nicht an, denn er ist heilig. In der vergangenen Nacht habe ich ihn in einer Vision gesehen. Er wandelte auf dem Wasser; er flog mit den Flügeln des Windes. Er sprach mit dem Sturm und mit den Fischen des Meeres - alle waren ihm gehorsam. Siehe, der Gebirgsfluss, der beim Kidron fließt, ist mit Blut befleckt, die Statuen Caesars sind mit Gemonien (Muscheln) überwachsen [oder: die Gemonische Treppe {ein Ort der Schande und Hinrichtung in Rom} bei den Büsten Cäsars ist überwachsen], und die Säulen des Innenhofes stürzen ein, und die Sonne ist mit Trauer bedeckt gleich einer römischen Göttin im Grab. Ach, Pilatus! Böses erwartet dich, wenn du nicht auf die Versicherungen deiner Frau hören willst. Fürchte den Fluch eines Römischen Senats; fürchte die Missbilligung des Cäsars."

Zu diesem Zeitpunkt ächzte die Marmortreppe unter dem Gewicht der Menge. Der Nazarener wurde zu mir zurückgebracht. Ich begab mich in den Gerichtssaal, gefolgt von meiner Garde, und fragte die Menschen in strengem Ton, was sie verlangten. "Den Tod des Nazareners," war ihre Antwort. "Für welche Missetat?" "Er hat gelästert, er hat die Verwüstung des Tempels prophezeit; er nennt sich selbst Gottes Sohn, der Messias, König der Juden." "Römisches Recht," sagte ich, "straft solche Fälle nicht mit dem Tod." "An den Pfahl mit ihm! An den Pfahl mit ihm!" rief die rücksichtslose Horde. Die Raserei der toll gewordenen Menge ließ die Fundamente des Palastes erzittern. Da war nur einer, der inmitten der kolossalen Menschenmasse ruhig blieb. Es war der Nazarener. Nach vielen fruchtlosen Versuchen, ihn gegen seine wütenden und unbarmherzigen Verfolgern zu beschützen, handhabte ich ein Mittel, das mir in diesem Moment das einzige schien, um sein Leben zu retten.

Ich schlug vor - da es ihre Gewohnheit war, bei solchen Gelegenheiten einen Gefangenen freizulassen - , Jesus loszubinden und freizulassen; dass er der Sündenbock sein sollte, wie sie es nennen. Aber sie sagten: "Jesus muss an den Pfahl!"

Ich sprach dann mit ihnen über die Unvereinbarkeit ihrer Handlungsweise, eine Handlungsweise, die nicht mit ihrem Gesetz in Übereinstimmung ist, ihnen anzeigend, dass kein Richter ein Urteil über einen Übeltäter aussprechen darf, während dieser den ganzen Tag gefastet hat; und dass das Urteil die Billigung des Sanhedrin und die Unterschrift des Präsidenten des Gerichtes haben müsse. Dass kein Missetäter an demselben Tag, an dem das Urteil ausgesprochen wurde, hingerichtet werden kann und dass dem Sanhedrin am folgenden Tag, dem Tag der Hinrichtung, die Bitte vorgelegt werden muss, den ganzen Prozess erneut zu betrachten.

Ebenso müsste, gemäß ihrem Gesetz, ein Mann mit einer Flagge an der Tür des Gerichtssaals gestellt werden und ein wenig weiter ein Mann auf einem Pferd, um den Namen des Missetäters auszurufen, außerdem seine Missetat, und ebenso die Namen der Zeugen um herauszufinden, ob jemand zu seinem Vorteil zeugen kann. Und auf dem Weg zur Hinrichtung hat der Gefangene das Recht, dreimal zurückzukehren und wegen neuer Gesichtspunkte zu plädieren, die zu seinem Vorteil sein könnten. Ich versuchte all diese Plädoyers in der Hoffnung, ihnen Ehrfurcht einzuflößen und zur Unterwerfung zu bringen, aber sie riefen weiter: "An den Pfahl mit ihm! An den Pfahl mit ihm!"

Ich gab dann Befehl Jesus zu geißeln, in der Hoffnung, sie damit zufrieden zu stellen, aber es machte ihre Raserei nur größer. Danach bat ich um ein Becken mit Wasser und wusch meine Hände gegenüber der lauten Menge, damit bezeugend, dass nach meinem Urteil Jesus von Nazareth nichts getan hatte, wodurch er den Tod verdiente. Aber vergeblich. Es war sein Leben, wonach diese Elenden dürsteten.

Häufig bin ich bei unseren Bürgerunruhen Zeuge von Wut und Zorn der Menge gewesen, aber nichts könnte verglichen werden mit dem, wovon ich bei diesem Ereignis Zeuge wurde. Es mag mit Recht gesagt werden, dass alle Geister der himmlischen Regionen sich in Jerusalem versammelt hatten. Statt zu laufen, schien es, als ob die Masse durch einen Mahlstrom, wie ein Wirbel getragen wurde, in lebenden Wellen voranrollend von den Toren des Amtssitzes bis zum Berg Zion hin, während sie so heulten, kreischten, schrien und schimpften, wie es noch niemals gehört wurde bei den Aufständen von Pannonien oder in dem Aufruhr auf dem Großen Platz in Rom.

Allmählich begann der Tag sich zu verdüstern, wie bei einer winterlichen Dämmerung, wie es beim Tode des großen Julius Caesar gewesen war. Es war ähnlich wie in den Iden des März.

Ich, noch immer Prokurator einer aufständischen Provinz, lehnte mich gegen eine Säule meiner Galerie, in der trostlosen Düsternis nachdenkend darüber, wie die bösen Geister des Tartarus den unschuldigen Nazarener zur Exekution geschleppt hatten. Alle, die um mich herum gewesen waren, hatten mich verlassen. Die unaufhaltbare Menschenmasse hatte Jerusalem durch das Begräbnispforte (heutige Heroduspforte) verlassen und sich nach Gemoniä (Treppe der Seufzer) begeben. Ein Hauch von Verlassenheit und Traurigkeit umhüllte mich. Meine Wache hatte sich zur Kavallerie gesellt, und der Hauptmann versuchte mit dem Anschein demonstrativer Macht, die Ordnung aufrechtzuerhalten.

Ich war allein gelassen; und mein brechendes Herz machte mir deutlich, dass das, was gerade geschah, eher zur Geschichte der Götter als zu der der Menschen gehörte. Ein lautes Rufen wurde gehört, das, vom Wind getragen, von Golgotha herüberkam. Es schien einen Todeskampf anzukündigen, wie er noch niemals vorher durch natürliche Ohren vernommen worden war. Dunkle Wolken sanken auf die Spitze des Tempels hinab und bedeckten die Stadt wie ein Schleier. Die Zeichen, die man am Himmel sah, und auch die, welche auf der Erde stattfanden, waren so erschreckend, dass ein Bericht herausgebracht wurde, wie Dionysos der Aeropagiter aussprach: "entweder der Schöpfer der Natur leidet oder das Weltall fällt auseinander".

Während dieses erstaunliche Naturschauspiel stattfand, ereignete sich ein schreckliches Erdbeben in Nieder-Ägypten, das jeden mit Furcht erfüllte und die abergläubischen Juden beinahe zu Tode erschreckte. Es wurde gesagt, dass Balthasar, ein alter und gelehrter Jude aus Antiochien, nach diesen aufregenden Ereignissen tot aufgefunden wurde. Ob er vor Angst oder aus Traurigkeit starb, ist nicht bekannt. Er war ein glühender Freund des Nazareners.

Etwa zur ersten Stunde der Nacht [19 Uhr] warf ich mir einen Mantel um und ging in die Stadt zu den Pforten von Golgotha. Das Opfer war vollbracht. Die Menge ging nach Hause, obwohl noch immer aufgewühlt, aber wehmütig, schweigend und verzweifelt. Wovon sie Zeugen gewesen waren, hatte sie mit Angst und Reue geschlagen.

Ich sah ebenfalls meine kleine römische Division trauernd vorbeigehen; der Fähnrich hatte seinen Adler als Zeichen der Trauer umwunden; und zufällig hörte ich einige jüdische Soldaten fremde Worte murmeln, die ich nicht verstand. Andere erzählten von den Wundern, die so sehr denen glichen, die die Römer so häufig durch den Willen ihrer Götter getroffen hatten. Manchmal machten Gruppen von Männern und Frauen halt, um, nach einem Blick zurück auf den Hügel Golgotha, reglos stehen zu bleiben, in Erwartung, ob sie Zeuge von neuen Wundern werden könnten.

Ich kehrte zu meinem Amtssitz zurück, traurig und trübsinnig. Beim Ersteigen der Treppe, deren Stufen noch immer vom Blut des Nazareners befleckt waren, bemerkte ich einen alten Mann in flehender Haltung, und hinter ihm mehrere Frauen mit tränenerfüllten Augen. Er warf sich zu meinen Füßen und weinte bitterlich. Es ist schmerzlich, einen alten Mann weinen zu sehen, und mein Herz, bereits überladen von Traurigkeit, konnte es nicht mehr ertragen, so dass wir alle, obgleich wir Fremde waren, zusammen weinten. Und es schien wirklich, dass bei vielen, die ich in der Volksmenge bemerkte, die Tränen aufwallten. Ich war noch niemals vorher Zeuge einer solch ungewöhnlichen Umkehr der Gefühle. Sie, die ihn verraten und verkauft hatten, sie, die gegen ihn gezeugt hatten, sie, die gerufen hatten: "Kreuzige ihn, wir wollen sein Blut!", sie alle schlichen wie Feiglinge weg und wuschen ihre Zähne mit Essig.

Wie mir erzählt wurde, lehrte Jesus eine Auferstehung und Trennung nach dem Tod. Wenn so etwas eine Tatsache sein sollte, bin ich davon überzeugt, dass es in dieser unsäglichen Menschenmasse begann durchzudringen.

"Vater," sagte ich zu ihm, nachdem ich wieder Kontrolle über meine Gefühle erlangt hatte, "wer seid ihr und was ist eure Bitte?" Er antwortete: "Ich bin Josef von Arimathea und bin gekommen, um auf den Knien eure Erlaubnis zu erflehen, den Leichnam von Jesus von Nazareth begraben zu dürfen." "Eure Bitte ist zugestanden," gab ich ihm zur Antwort, und gleichzeitig gab ich Manlius Befehl, mit einigen Soldaten das Begräbnis zu beaufsichtigen, damit keine Entweihung stattfinden könne.

Einige Tage später wurde das Grab leer gefunden. Seine Jünger verkündigten durch das ganze Land, dass Jesus von den Toten aufgestanden sei, so wie er es vorausgesagt hatte. Das verursachte eine noch größere Aufregung als die Hinrichtung am Pfahl. Inwieweit dies auf Wahrheit beruht, kann ich nicht mit Sicherheit sagen, aber ich habe diesbezüglich doch Nachforschungen gemacht, so dass ihr für euch selbst untersuchen und urteilen könnt, ob ich unrecht hatte, so wie Herodus verlauten lässt.

Josef von Arimathea begrub Jesus in seinem eigenen Grabgewölbe. Ob er mit seiner Auferstehung in Gedanken hatte oder ob er Rechnung damit hielt, für sich eine andere auszuhauen, kann ich nicht sagen. Am Tag, nachdem er begraben war, kam einer der Priester zum Amtssitz und sagte, dass sie befürchteten, dass seine Jünger planten, den Leichnam Jesu zu stehlen und zu verbergen, um es dann so aussehen zu lassen, als sei er aus dem Tod aufgestanden, so wie er gesagt hatte, und wovon sie vollkommen überzeugt waren. Ich schickte ihn zum Kapitän der Königlichen Wache (Malchus), um ihm zu sagen, er solle so viele jüdische Soldaten wie nötig nehmen und sie rund um die Grabstätte platzieren; so dass er, wenn da etwas geschehen würde, sich selbst blamieren könne und nicht die Römer.

Als da eine große Aufregung entstand um das Grab, das leer angetroffen worden war, fühlte ich eine tiefere Besorgnis als jemals zuvor. Ich ließ Malchus kommen, der mir erzählte, dass er seinen Offizier Ben Isham mit hundert Soldaten um das Grab platziert habe. Er erzählte mir, dass Isham und die Soldaten sehr erstaunt waren über das, was sich an dem Morgen ereignete.

Ich ließ diesen Isham rufen, der mir, soweit ich mich erinnern kann, die folgenden Umstände enthüllte: er sagte, dass sie etwa zu Beginn der vierten Wache ein weiches und schönes Licht über der Grabhöhle sahen. Er dachte zunächst, dass da Frauen gekommen seien, um Jesus zu balsamieren, so wie es ihr Brauch war, aber er konnte nicht sehen, wie sie durch die Wache gekommen waren.

Während diese Gedanken durch seinen Kopf gingen, würde plötzlich der ganze Platz erleuchtet, und da schienen eine Menge von Toten zu sein in ihren Totengewändern. Alle schienen zu jauchzen und in Verzückung zu sein, während überall rundum und auch darüber die schönste Musik war, die er jemals gehört hatte; und die ganze Luft schien voll von Stimmen zu sein, Gott preisend. Zu diesem Zeitpunkt schien es, als ob die ganze Welt taumelte und schwamm, so arg, dass er krank wurde und ohnmächtig wurde und nicht länger auf den Beinen stehen konnte.

Er sagte, dass es schien, als ob die Erde unter ihm schwamm und dass sein Gefühl ihn im Stich ließ, so dass er nicht wusste, was da geschah. Ich fragte ihn, in welcher Verfassung er war, als er wieder zu sich kam. Er antwortete mir, dass er auf dem Boden lag mit seinem Angesicht zur Erde.

Ich fragte ihn, ob er sich nicht geirrt haben könnte mit dem Licht. Tagte es nicht bereits im Osten? Er sagte, dass er das zuerst schon gedacht hätte; aber einen Steinwurf weit entfernt war es noch stockdunkel, und er erinnerte sich überdies, dass es für den Tagesanbruch noch zu früh war.

Ich fragte ihn, ob seine Benommenheit nicht möglicherweise durch das plötzliche Erwachen und schnelle Aufstehen verursacht worden sein könnte, wie das manchmal der Fall sein kann. Er verneinte und gab zu erkennen, er habe die ganze Nacht nicht geschlafen, da Schlafen im Dienst in der Tat die Todesstrafe bedeuten würde. Er erzählte, dass er wohl manche Soldaten ein Nickerchen habe machen lassen. Manche schliefen zu dem Zeitpunkt.

Ich fragte ihn, wie lange die Szene gedauert hätte. Er sagte, er wüsste es nicht, aber dachte, so etwa eine Stunde. Er sagte, dass es beim Dämmern des Tages verschwand. Ich fragte ihn, ob er zum Grab gegangen sei, als er zu sich gekommen war. Er antwortete verneinend, weil er verängstigt gewesen sei, und erzählte, dass mit der Wachablösung alle in ihre Quartiere gegangen seien.

Ich fragte ihn, ob er durch die Priester befragt worden war. Er bestätigte dies. Sie wollten, dass er sagen solle, es sei ein Erdbeben gewesen, und dass sie schliefen. Außerdem hätten sie ihm Geld gegeben, damit er sage, dass die Jünger gekommen seien und Jesus gestohlen hätten. Aber er hatte keine Jünger gesehen; er wusste nicht, dass der Leichnam weg war, bis es ihm erzählt wurde.

Ich fragte, was die persönliche Meinung der Priester war, mit wem er es zu tun gehabt hätte. Er sagte, dass manche von ihnen dachten, dass Jesus kein Mensch war; dass er kein menschliches Wesen war; dass er nicht der Sohn der Maria war und auch nicht derselbe, von dem gesagt wurde, er sei geboren aus einer Jungfrau in Bethlehem; dass dieselben Personen früher auf der Erde gewesen waren mit Abraham und Lot, und zu vielen anderen Zeiten und Orten.

Es scheint mir, dass, wenn die jüdische Theorie glaubwürdig ist, diese Schlussfolgerungen richtig sind, denn sie sind in Übereinstimmung mit dem Leben dieses Mannes, wie bekannt ist und bezeugt wird von beiden, sowohl Freunden als auch Feinden. Denn die Elemente waren in seinen Händen nicht mehr als der Ton in den Händen des Töpfers. Er konnte Wasser in Wein verändern; den Tod umkehren in Leben, Krankheit in Gesundheit. Er konnte das Meer beruhigen, den Sturm stillen, einen Fisch mit einer Silbermünze im Maul heraufrufen.

Nun sage ich, wenn er all diese Dinge tun konnte, die er tat, und viele mehr, wie die Juden es bezeugen - und gerade durch diese Dinge entstand die Feindschaft - (er wurde nämlich nicht von Straftaten beschuldigt, noch irgendeiner Gesetzesverletzung, noch dass er irgend ein persönliches Individuum verkehrt behandelt hätte) - und diese Tatsachen sind bekannt bei Tausenden, sowohl von seinen Feinden als auch von seinen Freunden - bin ich beinahe geneigt zu sagen, so wie Manlius beim Kreuz: "Wahrlich, dies war der Sohn Gottes."

Nun, edler Souverän, soweit ich die Sache beurteilen kann, kommt dies den Tatsachen so nahe wie möglich, und ich habe mich bemüht, diese Erläuterung so vollständig wie möglich zu machen, so dass ihr über mein Verhalten im Ganzen urteilen mögt, vor allem, da ich höre, dass Antipas in dieser Sache viele harte Dinge über mich gesagt hat. Mit dem Versprechen der Treue und guten Wünschen an meinen edlen Souverän,

bin ich, euer gehorsamster Diener,

Pontius Pilatus.

 


Pilatus schreibt im Zusammenhang mit dem Stand der Dinge rund um den Prozess und die ganzen Umstände noch folgendes:

Mir blieb noch die Pflicht zu erfüllen, den Cäsar von diesen beklagenswerten Ereignissen in Kenntnis zu setzen. Ich tat das in der Nacht, die auf die fatale Katastrophe folgte, und hatte die Kommunikation gerade beendet, als es begann zu tagen. In diesem Moment klang die Musik von Trompeten, die die Diana-Melodie spielten, in meine Ohren. Als ich meine Augen in die Richtung der Cäsaräa-Pforte (heutige Damaskus-Pforte) wandte, sah ich einen Trupp Soldaten und hörte in der Ferne andere Trompeten den Kaisermarsch spielen. Es war die Verstärkung, die mir versprochen war - zweitausend Mann auserlesener Truppen - die, um ihre Ankunft zu beschleunigen, die ganze Nacht durchmarschiert waren.

"Das muss ein Entschluss des Schicksals gewesen sein," rief ich händeringend aus, "dass diese große Ungerechtigkeit verübt werden konnte; dass zum Abwenden von Taten, die gestern stattfanden, heute Truppen eintreffen sollten. Grausames Schicksal, wie habt Ihr euren Spaß getrieben mit der Sache der Sterblichen." Es war nur allzu wahr, was der Nazarener, am Kreuz hängend, sich zusammenkrümmend vor Schmerz, ausgerufen hatte: "Es ist vollbracht."

Kommentar zur Acta Pilati

von Franklin ter Horst

Über die Jahre haben sich zahlreiche Bibelexperten gefragt, ob der Brief von Pontius Pilatus an den römischen Kaiser Tiberius, die sogenannte Acta Pilati, als ein wahrheitsgetreues Dokument betrachtet werden kann oder als eine Fälschung. Der Brief soll durch den Amerikaner William Dennes Mahan (1824 - 1906) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Bibliothek des Vatikan und auch in der Bibliothek der Hagia Sofia in Istanbul, dem ehemaligen Konstantinopel, entdeckt worden sein.

Der Brief ist eine Übersetzung von offiziellen Manuskripten und Pergamentrollen, die ursprünglich vom Senatsgericht von Tiberius Cäsar stammen. Der Brief enthält einen beeindruckenden Bericht über die Ereignisse während der letzten Tage von Jesu Leben auf der Erde. Mahan hat den Brief mit Hilfe zweier Übersetzer, darunter H. C. Whydaman (England) von der Altertumskammer in Genua, vom Lateinischen ins Englische übersetzt.

Diese Übersetzung wurde 1887 als Teil eines Buches mit dem Titel Archko Volumes publiziert. Das Büchlein wurde 1972 von P. Kingma auf Niederländisch herausgegeben. Duplikate des englischen Textes liegen in der Kongressbibliothek in Washington. Die Nummer des Dokuments ist B441.A2M3 1884.

Über die Glaubwürdigkeit des Briefes schrieb mir Hubert Luns,
Experte auf diesem Gebiet, folgendes:

"Was die Acta Pilati betrifft, sind vielleicht etwa fünf davon im Umlauf. Meine Schlussfolgerung ist, dass es echte Stücke sind. Die Grund ist einfach: Es ist 100 % sicher, dass Pilatus einen Bericht über die Kreuzigung Christi an den Kaiser geschickt hat, denn das Erdbeben und die Finsternis mitten am Tag während der Kreuzigung waren ein zu zufälliges Zusammentreffen von Umständen, um sie nicht an Rom zu berichten, sicher zu einer Zeit, wo man auf diese Art von Dingen acht gab, sogenannte Omen.

Interessantes Detail in dieser Acta Pilati ist, dass hieraus scheint, dass er schon früher mit Jesus gesprochen hatte, obwohl in strikter Vertraulichkeit. Es war in der Tat das Interesse des Pilatus, über alles, was in seinem Gebiet vorfiel, auf der Höhe zu sein. Dass Jesus gemäß dem Bericht rotblondes Haar hatte, braucht nicht zu verwundern, denn Davids Haar wird in denselben Ausdrücken beschrieben."

Stein von Cäsarea

Lukas bezieht sich auf Pilatus als römischen Gouverneur von Judäa (26 - 36 n. Chr.) während der Herrschaft von Tiberius Cäsar (Lukas 3:1). 1961 entdeckten Archäologen in Cäsarea, einer römischen Stadt des Altertums an der Mittelmeerküste von Israel, einen Stein, auf dem der Name von Pontius Pilatus in Lateinisch eingraviert ist. Die Inschrift besagt etwa folgendes: "Pontius Pilatus, Präfekt von Judäa, hat zur Ehre von Tiberius den Menschen von Cäsarea einen Tempel gewidmet."

Cornelius Tacitus, ein bekannter römischer Historiker aus dem ersten Jahrhundert, nennt Pontius Pilatus auch in einem seiner bekannten Texte:

"Christus, worin der Name seinen Ursprung hat, erlitt während der Herrschaft von Tiberius die höchste Strafe in den Händen eines unserer Prokuratoren, Pontius Pilatus."
(Annalen, Historiae, Kapitel 15, Absätze 54 und 55)

Tacitus erwähnt Pontius Pilatus nicht nur außerhalb des Bibelberichts, er erwähnt ihn auch im Zusammenhang mit Christus.