70 Jahrwochen — DER Denkfehler!
20.11.2023
Es gibt biblische Kost, die ist wie Milch: einfach, süß, geht gut runter. Dann gibt es biblische Vollwertkost. Und dann gibt es noch biblisches Nüsseknacken.
Hierzu gehört definitiv der Versuch, die "70 Jahrwochen" aus dem Bibelbuch Daniel zu verstehen. Möchtest du beim Knacken dieser biblischen "Nuss" dabeisein?
Versetz dich ins sechste Jahrhundert vor Christus.
Beim Schriftstudium fällt dem Propheten Daniel auf, dass die „70 Jahre der Verwüstung“ von Jerusalem bald herum sein müssen. In einem intensiven Gebet, nach einem herzberührenden Sündenbekenntnis für sein Volk, bittet er Gott um Vergebung, um Wiederherstellung von Jerusalem.
Der Engel Gabriel eilt herbei und gibt ihm eine Antwort, die seine Frage bei weitem übertrifft:
„Siebzig Siebenheiten* müssen für dein Volk und die Heilige Stadt vergehen,
bis der Aufruhr gegen Gott zum Abschluss gebracht,
die Macht der Sünde gebrochen
und die Schuld gesühnt ist,
bis eine ewige Gerechtigkeit herbeigeführt,
die Prophetie endgültig bestätigt
und der Höchstheilige gesalbt ist.“
(Daniel 9:24 NBH)
*Fußnote zu "Jahrwochen"
Soviel Inhalt in einem einzigen Satz!
— "Siebzig Siebenheiten" werden meist als 70 Jahrwochen = 70 x 7 Jahre = 490 Jahre gedeutet.
— "bis der Aufruhr gegen Gott zum Abschluss gebracht ist" — der Aufruhr des Volkes Israel, der ganzen Menschheit, oder auch der Aufruhr im Himmel ...?
— "die Macht der Sünde gebrochen" — die Sünde ist der Giftstachel des Todes (1. Korinther 15:56), also muss jemand sterben, um die Macht der Sünde zu brechen.
— "die Schuld wurde gesühnt" durch Jahuscha ha-Maschiach (Jesus Christus), der die Erbsünde von Adam und all seinen Nachkommen auf sich nahm und mit seinem Blut und Tod sühnte.
— "eine ewige Gerechtigkeit herbeigeführt" wird durch Gottes Königreich, "neue Himmel, eine neue Erde" (2. Petrus 3:13). Jede andere Gerechtigkeit ist nicht ewig.
— "die Prophetie endgültig bestätigt" ist dann, wenn keine einzige Prophezeiung mehr offensteht. Wenn auch die allererste Prophezeiung im Garten Eden (1. Mose 3:15) und die allerletzte in Offenbarung sich erfüllt haben. Wenn Jahuscha dem Satan den Kopf zermalmt hat: nach den 1000 Jahren, nach der Schlussprüfung (Offenbarung 20:2-3, 7-10)
— "der Höchstheilige gesalbt" — kann sich auf den Christus beziehen (was ja "Gesalbter" bedeutet), oder auf den Tempel, der am Ende aus "lebendigen Steinen" besteht, den gläubigen Menschen, mit Christus als wertvoller Eckstein des Tempels. (1. Petrus 2:4-6)
Die Antwort des Engels ist enorm umfangreich! Daniel erhält nicht nur Auskunft über die Rückkehr nach Jerusalem nach den 70 Jahren, sondern auch, wie es mit Jerusalem nach Gottes Plan bis in die ferne Zukunft weitergeht. Das reicht bis ans Ende unserer Zeit! Unser himmlischer Vater muss ihn wirklich enorm liebgehabt haben. Er nannte Daniel "du hochgeschätzter Mann" (Daniel 10:11,19)
Die ersten 7 Jahrwochen
„Du musst Folgendes wissen und verstehen: Vom Erlass des Befehls zum Wiederaufbau Jerusalems bis zu einem Gesalbten, einem Fürsten, vergehen sieben Jahrwochen.“
(Daniel 9:25 a NBH)
Also gibt es am Anfang einen Befehl, dann 49 Jahre, und am Ende einen Gesalbten.
Erließ nicht der Perserkönig Kyrus den Befehl zum Wiederaufbau?
„Doch in dem Jahr, als Kyrus König von Babylonien wurde, gab er den Befehl, dieses Haus wieder aufzubauen.“
(Esra 5:13 NBH)
Und "Gesalbter" bezieht sich doch sicher auf Jesus Christus, oder?
Weit gefehlt! Hier lauert schon gleich die erste Fallgrube. Jesus trat erst Jahrhunderte später auf, nicht schon 49 Jahre nach dem Aufbaubefehl. Es muss ein anderer "Gesalbter" gemeint sein.
"Gesalbt" wird ein Mensch, wenn Gott ihn für einen Spezialauftrag ausgewählt hat. Und tatsächlich wurde ebendieser Kyrus auch von Gott als "mein Gesalbter" bezeichnet. Er wurde sogar mehr als 150 Jahre im Voraus mit seinem Namen angekündigt:
„der von Kyrus spricht: 'Er ist mein Hirt! / Er wird alles tun, was ich von ihm will. Er wird befehlen: 'Jerusalem wird aufgebaut! / Der Grundstein des Tempels werde gelegt!'"“
(Jesaja 44:28 NBH)
„So spricht Jahwe zu Kyrus, seinem Gesalbten, / den er an der Hand gefasst hat, um Völker ihm zu unterwerfen, / um Königen den Hüftgurt zu lösen, / um vor ihm zu öffnen Tür und Tor: "Ich selbst, ich gehe vor dir her. / Ich ebne die Ringmauern ein, / zerschlage Bronzetore und zerbreche eiserne Riegel. Wegen Jakob, meinem Diener, / wegen meines Schützlings Israel / habe ich dich berufen / und verlieh dir einen Ehrennamen, / ohne dass du mich kanntest.“
(Jesaja 45:1-2, 4 NBH)
Einen anderen Gesalbten konnten wir in der fraglichen Zeitspanne nicht finden.
Das bedeutet: Der Gesalbte Kyrus steht am ENDE der 1. Jahrwoche, nicht am Anfang.
Wenn die erste Jahrwoche beim Gesalbten Kyrus ENDET,
also um das Jahr 539 v. Chr.,
dann muss sie logischerweise 7 x 7 = 49 Jahre früher BEGINNEN,
also um das Jahr 588 v. Chr..
(In den Jahreszahlen "VOR Christus" werden die Zahlen größer, wenn wir zeitlich rückwärts gehen.)
Was war im Jahr 588 v. Chr.?
Gottes Prophet Jeremia bekam folgende Nachricht:
„So spricht Jahwe: "Seht, ich stelle Jakobs Zelte wieder her, / erbarme mich über seine Wohnungen. / Auf Bergen von Schutt ersteht die Stadt neu, / der Palast auf seinem alten Platz.“
(Jeremia 30:18 NBH)
Aha! Der "Erlass des Befehls zum Wiederaufbau" ging am Anfang der ersten Jahrwoche vom Allmächtigen Gott persönlich aus, weder von Kyrus, der die Israeliten aus Babylon befreite, noch vom Perserkönig Artaxerxes, der Nehemia um das Jahr 444 v. Chr. freistellte, ihm Baumaterial und Passierscheine mitgab. Kyrus und Artaxerxes halfen zwar mit, die Voraussetzungen für den Wiederaufbau zu schaffen, aber den Startschuss zum Wiederaufbau Jerusalems und damit zur 1. Jahrwoche gab der Allmächtige selbst, und zwar durch Seinen Propheten Jeremia!
62 Jahrwochen
„62 Jahrwochen lang wird es dann als wiederaufgebaute und befestigte Stadt bestehen bleiben, auch wenn es schwere Zeiten erleben muss.
Aber nach den 62 Jahrwochen wird ein Gesalbter die Todesstrafe erleiden, aber nicht für sich. Dann wird das Volk eines kommenden Fürsten die Stadt und das Heiligtum zerstören. Das wird wie eine Überflutung sein. Und bis zum Ende wird es Krieg und Verwüstungen geben, wie Gott es beschlossen hat.“
(Daniel 9:25b, 26 NBH)
"wird ein Gesalbter die Todesstrafe erleiden" bezieht sich eindeutig auf Christus (griechisch Christos ="Gesalbter"), den Messias (hebräisch Maschiach ="Gesalbter"). Er erlitt die Todesstrafe, "aber nicht für sich", denn er war sündenlos und hatte sie nicht verdient, sondern für uns alle nahm er sie auf sich!
Das war um das Jahr 33 NACH Chr.. Unser nächster historischer Fixpunkt.
Okay, rechnen wir einfach, dachten wir.
Wieso wird im Jahr 105 VOR Chr. "ein Gesalbter die Todesstrafe erleiden"? Das ist doch 138 Jahre zu früh. Das passt ja überhaupt nicht!
Und während wir die nächsten Sätze der Bibel genau betrachteten, dämmerte uns der enorme Denkfehler ...
DER Denkfehler! Die Lücken fehlen!
Eine Lücke! Natürlich!!
Wer sagt denn, dass die drei Zeitperioden der Danielprophezeiung ( 7 Wochen + 62 Wochen + 1 Woche) nahtlos aneinander anschließen müssen?! Davon gehen wir immer aus, aber das steht da nicht!
"Nach den 62 Jahrwochen" heißt danach, irgendwann danach, nicht unbedingt gleich am darauf folgenden Tag. Also lautet unsere Arbeitshypothese: Es darf auch Lücken dazwischen geben.
Mut zur Lücke
Unsere Arbeitshypothese wollen wir natürlich gleich ausprobieren. Funktioniert sie mit dem nächsten Satz der Prophezeiung? Nach der Todesstrafe des Gesalbten im Jahr 33 n. Chr., nach den 62 Jahrwochen?
"Dann wird das Volk eines kommenden Fürsten die Stadt und das Heiligtum zerstören. Das wird wie eine Überflutung sein."
(Daniel 9:26b)
Das römische Heer unter Feldherr Titus belagerte und überrannte Jerusalem und zerstörte auch den heiligen Tempel. Die metallisch schimmernden Rüstungen des gigantischen 60.000-Mann-Heeres könnten an eine Flut erinnert haben. In biblischer Sprache steht "Flut" auch bildhaft für heftige Wut und Gewalt sowie für Bestrafung. (Sprüche 27:4; Psalm 32:6) Beides würde auf die damalige historische Situation passen.
Wann geschah das? Endgültig im Jahr 70 n. Chr., das ist unser dritter historischer Fixpunkt.
Wir rechnen rückwärts: 70 n. Chr. minus 33 n. Chr. (Jahuschas Tod) = 37.
"Dann" bedeutet hier also einen zeitlichen Abstand von 37 Jahren.
"Und bis zum Ende wird es Krieg und Verwüstungen geben, wie Gott es beschlossen hat.“
(Daniel 9:26c)
"Bis zum Ende" WOVON? Das Ende des jüdischen Systems kann nicht gemeint sein, denn das hatte sich ja gerade zuvor in der Prophezeiung ereignet. Nein, schauen wir einfach, was der Prophet Daniel an anderen Schriftstellen mit "Ende" meint:
"Du aber, Daniel, geh dem Ende entgegen, und ruhe, bis du aufstehst zu deinem Erbteil am Ende der Tage!"
(Daniel 12:13 LUT)
Das erste "Ende" ist hier Daniels Lebensende. "am Ende der Tage" bezeichnet die Zeit, in der Daniel auferstehen wird. Die Zeit der Auferstehung liegt noch vor uns.
"Bis zum Ende" scheint also hier in Daniels 70 Jahrwochen-Prophezeiung eine seeehr lange Zeitspanne zu bezeichnen, nämlich vom Jahr 70 bis in unsere Gegenwart und Zukunft. Viele hundert Jahre.
Hat sich diese triste Voraussage von jahrhundertelangen "Kriegen und Verwüstungen" an Jerusalem erfüllt? Schau dir nur mal die Geschichte Jerusalems in Wikipedia an ...! Krieg und Verwüstungen trafen Jerusalem tatsächlich immer wieder und aktuell immer mehr.
Wenn wir die Lücken zwischen den drei Jahrwochen-Perioden unter die Lupe nehmen, ergibt sich folgendes Bild:
Die letzte Jahrwoche
Da es im vorausgegangenen Satz ja hieß: "Und bis zum Ende ...", ist anzunehmen, dass die letzte Jahrwoche sich DANACH, also in der Zeit des Endes abspielt.
„Für eine Jahrwoche wird der Fürst einen starken Bund mit den Vielen schließen.
Doch in der Mitte der Jahrwoche wird er die Schlacht- und Speisopfer aufhören lassen.
Dazu wird er das Heiligtum verwüsten, indem er ein Gräuelbild dort aufstellt.
Schließlich wird die beschlossene Vernichtung auch ihn selbst treffen."“
(Daniel 9:27 NBH)
Auch hier wieder viel Inhalt:
— Sieben Jahre wird dieser starke Bund dauern.
— Nach dreieinhalb Jahren gibt es einen heftigen Einschnitt: der Opferdienst wird beendet, ein Scheusal wird im Allerheiligsten aufgestellt.
— Schließlich wird dieser "Fürst" vernichtet, das beschlossene Gottesurteil an ihm vollstreckt.
... und viele Fragen:
Wer ist "der Fürst"? Warum ist der Bund "stark"? Wer sind "die Vielen"? Welcher Opferdienst ist gemeint? Tieropfer? oder "Schlachtopfer der Lobpreisung"? Was ist mit "Heiligtum" gemeint? Was könnte das "Gräuelbild" sein, das zweimal durch Daniel und einmal durch Jahuscha (Jesus) erwähnt wird? Welche Frage haben wir vergessen?
Da die letzte Jahrwoche in unserer Zeit und Zukunft spielt, wollen wir sie in einem separaten Artikel noch mal genauer unter die Lupe nehmen.
Fazit — Was hat uns dieses "Nüsseknacken" gebracht?
Wir haben gesehen, wie leicht wir Prophezeiungen missdeuten, wenn wir nicht lesen, was da steht, sondern lesen, was wir denken was da steht!
Wir sehen außerdem, wie zuverlässig Gottes Prophezeiungen sind. Er hat seinen Leuten immer mitgeteilt, was kommt, und er tut es weiterhin:
„Denn Jahwe, der Herr, tut nichts, ohne seinen Dienern, den Propheten, das Geheimnis zu enthüllen.“
(Amos 3:7 NBH)
Wir sehen mit Erleichterung, dass alles nach Gottes gutem Plan läuft, und zwar schon seit vielen Jahrhunderten!
Jahuwah Gott hat alle Fäden in der Hand, und er hat sie seinem Sohn Jahuscha in seine Hände gelegt, der uns überaus liebt. Das ist doch in wilden Zeiten sehr beruhigend, oder?
Lesetipp
Anschlussartikel "Die letzte Jahrwoche" ... ist in Arbeit.