Paulus Teil 4 — Gerüchte über Paulus
Erstes Gerücht: "Paulus lässt sich Vater nennen!"
Ein Vorwurf an Paulus lautet, er lasse sich mit dem Ehrentitel "Vater" anreden, obwohl Jahuscha ha-Maschiach (Jesus Christus) das Gegenteil angeordnet hatte:
"Nennt auch niemand auf Erden euren Vater; denn einer ist euer Vater, der im Himmel ist. Auch sollt ihr euch nicht Meister nennen lasse; denn einer ist euer Meister, der Christus!"
(Matthäus 23: 9,10)
Betrachten wir den Kontext.
Zu wem sprach Jahuscha?
- Zu den geltungssüchtigen Pharisäern und Schriftgelehrten (Vers 1),
- die ihre Frömmigkeit öffentlich zur Schau stellen (Vers 5),
- die Ehrenplätze beanspruchen (Vers 6) und
- sich gern von den einfachen Menschen ehrfurchtsvoll grüßen lassen (Vers 7).
In Vers 8 erklärt Jahuscha den Kernpunkt, und in Vers 9 benennt er den falschen Gebrauch des Wortes "Vater":
"Lasst ihr euch nicht so anreden! Nur Gott ist euer Meister, ihr seid untereinander alle Geschwister. Ihr sollt auch niemandem auf der Erde den Ehrentitel ›Vater‹ geben, denn nur einer ist euer Vater: Gott im Himmel.“
(Matthäus 23:8-9 HFA)
Beanspruchte Paulus den Ehrentitel "Vater" (so wie sich der Papst heute mit "Heiliger Vater" ansprechen lässt)? Berücksichtigen wir auch hier den Kontext:
"Ich schreibe das nicht, um euch zu beschämen, sondern um euch auf den rechten Weg zu bringen. Ihr seid doch meine geliebten Kinder! Und selbst wenn ihr Tausende von strengen Aufsehern durch Christus hättet, so doch nicht viele Väter. Denn durch Jesus Christus und durch das Evangelium bin ich euch zum Vater geworden*."
(1. Korinther 4:14-15 NBH)
*wörtlich: Denn in Christus Jesus habe ich euch gezeugt durch das Evangelium. (ELB)
Im Textzusammenhang sehen wir, dass Paulus nicht "Vater"als Ehrentitel anstrebt, sondern einfach seine väterlichen Gefühle gegenüber seinen christlichen Geschwistern ausdrückt, seine Wärme und Verbundenheit. Im Vers 17 nennt er ebenso Timotheus "sein geliebtes und treues Kind im Herrn".
Im Galaterbrief äußern sich seine besorgten Vatergefühle besonders rührend, fast schon wie Muttergefühle:
"Meine lieben Kinder, euretwegen erleide ich noch einmal Geburtsschmerzen, bis Christus in euch Gestalt gewinnt.“
(Galater 4:19 NBH)
Und nicht nur Paulus, sondern auch der Apostel Johannes drückt diese väterlichen Gefühle aus. Verstößt er etwa damit gegen Christi Gebot der christlichen Geschwisterliebe?
"Ich habe keine größere Freude als die, dass ich höre, wie meine Kinder* in der Wahrheit wandeln.“
(3. Johannes 1:4 LUT)
*meine Kinder: alle, die durch mich Christen geworden sind (HFA)
"Kindlein, hütet euch vor den Abgöttern!"
(1. Johannes 5:21 SCH)
Hierzu eine Veranschaulichung:
Wenn mein Mann Samenkörner gesät hat, nennt er die kleinen Pflänzchen "seine Babys". Er gibt ihnen ganz viel Aufmerksamkeit und Pflege, so zart und empfindlich wie sie sind. Er ist "ihr Vater", denn hätte er die Samen nicht in die Erde gesteckt, würde da nichts wachsen. Die Ehre für dies Wachstumswunder gebührt natürlich unserem himmlischen Vater und seinem Sohn.
Erstes Gerücht widerlegt.
Zweites Gerücht: "Paulus fordert auf, ihm zu folgen statt Christus!"
Als Beweistext wird 1. Korinther 4:16 angeführt:
"So ermahne ich euch nun: Werdet meine Nachahmer!“
(1. Korinther 4:16 SCH)
Wie hat Paulus das gemeint? Wollte er sich wirklich zwischen die Gläubigen und Christus drängen?
"Seid meine Nachahmer, wie auch ich Christi [Nachahmer bin].“
(1. Korinther 11:1 ELBBK)
Paulus war ein vorbildlicher Christ, denn er tat sein Äußerstes, um Christus immer ähnlicher zu werden. Darum konnte er auch guten Gewissens sagen: "Folgt meinem Vorbild."
Zweites Gerücht widerlegt. Das war einfach.
Drittes Gerücht: "Paulus will seine Schafe mit der Rute züchtigen!"
Diese Gerücht basiert auf einer Stelle aus dem ersten Korintherbrief:
"Was wollt ihr? Soll ich mit der Rute zu euch kommen oder in Liebe und im Geist der Sanftmut?“
(1. Korinther 4:21 ELB)
Auch diese Behauptung ist leicht zu widerlegen. Folgen wir den Querverweisen, dann ist deutlich zu erkennen, dass Paulus genau das Gegenteil will:
"Deswegen schreibe ich diesen Brief noch aus der Ferne, damit ich NICHT Strenge gebrauchen muss, wenn ich komme. Die Vollmacht, die der Herr mir gab, habe ich ja zum Aufbauen und nicht zum Niederreißen erhalten. Ich komme zum Schluss, liebe Geschwister. Freut euch! Lasst euch ermutigen und zurechtbringen! Seid eines Sinnes und lebt in Frieden. Dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein.“
(2. Korinther 13:10-11 NBH)
Viertes Gerücht: "Paulus ist schuld an unbarmherziger Gemeindezucht!"
Paulus' Anordnungen im 1. Korintherbrief werden oft missbraucht, um z.B. das Ächten (totaler Kontaktabbruch, Shunning, Exkommunikation, Gemeinschaftsentzug bei Zeugen Jehovas ...) zu begründen.
"1 Man hört überhaupt schlimme Dinge über euch. Ihr duldet eine derartige sexuelle Unmoral in der Gemeinde, wie sie nicht einmal unter gottlosen Völkern vorkommt, dass einer mit der Ehefrau seines Vaters zusammenlebt. Und dann seid ihr auch noch eingebildet! Ihr solltet vielmehr traurig sein und den, der das macht, aus eurer Gemeinschaft ausstoßen.“
4 Wenn ihr im Namen unseres Herrn Jesus Christus zusammenkommt und ich im Geist bei euch bin und der Herr Jesus mit seiner Kraft gegenwärtig ist, 5 dann soll dieser Mensch im Namen unseres Herrn Jesus dem Satan ausgeliefert werden, damit sein Körper zugrunde gerichtet, sein Geist aber am Gerichtstag des Herrn gerettet wird.
9 In meinem vorigen Brief habe ich euch geschrieben, dass ihr keinen Umgang mit Menschen haben sollt, die in sexueller Unmoral leben. 11 [...] dass ihr keinen Umgang mit jemand haben sollt, der zur Gemeinde zählt und trotzdem in sexueller Unmoral lebt oder ein habgieriger Mensch ist oder ein Götzenanbeter, ein Verleumder, ein Trinker oder ein Räuber. Mit solch einer Person sollt ihr nicht einmal zusammen essen. 13 [...] Schafft also den Bösen aus eurer Mitte weg!“
(1. Korinther 5:1-2, 4-5, 9, 11, 13 NBH)
Das sind in der Tat sehr entschiedene Worte für eine sehr krasse Verfehlung, verbunden mit mangelnder Einsicht und Reue des Sünders, aber auch der Gemeinde! Da sind die moralischen Werte schon erheblich verrutscht, wenn solche Zustände geduldet werden!
Eine energische Korrektur war notwendig. Die Korinthergemeinde verstand, und sie setzten das um, was Paulus schrieb. Das Ergebnis können wir dem zweiten Korintherbrief entnehmen— aber achte mal darauf,
- ob die Strafe kollektiv von ALLEN umgesetzt wurde?
- WIE LANGE die Strafe beibehalten werden sollte?
- und wie DANACH mit dem Sünder umgegangen werden sollte?
"Wenn jemand Kummer gemacht hat, dann hat er nicht mich betrübt, sondern mehr oder weniger – damit ich nicht zu viel sage – euch alle. Für den Betreffenden genügt nun die Bestrafung durch die Mehrheit von euch. Jetzt solltet ihr eher verzeihen und trösten, damit er nicht in Verzweiflung getrieben wird. Deshalb bitte ich euch: Beschließt, ihn wieder in Liebe anzunehmen.“
(2. Korinther 2:5-8 NBH)
Es handelte sich hier um einen Einzelfall und nicht um ein generelles Schema, nach dem Sünden in der Gemeinde abzuhandeln sind. Erst recht nicht, wenn Reue vorhanden ist.
- Kein Gemeindemitglied wurde gezwungen, an der Bestrafung mitzuwirken.
- Der Ausschluss dauerte nur solange, wie das Umdenken des Sünders und der Gemeinde es erforderte.
- Und er wurde danach schnellstmöglich wieder aufgenommen, und zwar in Liebe!
Was für ein Unterschied zu den unbarmherzigen Praktiken in manchen etablierten Religionen!
Paulus kann man für diese Verfremdung, diesen Missbrauch einer biblischen Passage sicher nicht verantwortlich machen ...
Gerücht Nummer 4 widerlegt.
Fünftes Gerücht: "Paulus ist der Gründer der katholischen Kirche mit all ihren Missständen"
Wie schon im Teil 2 dieser Serie besprochen, lebte Paulus in einer anderen Phase des Christentums als Christus, der es ursprünglich in Gang gesetzt hatte. Christus predigte, aber Paulus gründete viele Gemeinden und betreute sie über Jahrzehnte. Da entstanden ganz andere soziale und geistliche Anforderungen als zu Christi Lebzeiten.
Wie gibt man großen Gruppen von Gläubigen einen förderlichen Rahmen, für ihr Glaubensleben, ihren Alltag? Wie würdest du das machen?
Stell dir vor, du hättest fünfzig Leute zu Christus geführt,
und jetzt stehen sie vor dir
und schauen dich erwartungsvoll an —
"Und was jetzt? Wie geht's jetzt weiter?"
Eine gewisse Gemeindestruktur ist sinnvoll. Mit demütigen Ältesten und Diakonen, die für ihre Schäfchen buchstäblich "durch den Staub gehen". Aber ein Berufspriestertum, womöglich noch mit Zölibatsvorschrift, ist Paulus niemals in den Sinn gekommen, im Gegenteil:
"1 Der Geist Gottes hat allerdings unmissverständlich vorausgesagt, dass am Ende der Zeit manche vom Glauben abfallen werden. Sie werden sich irreführenden Geistern zuwenden und auf Lehren hören, die von dämonischen Mächten eingegeben sind 3 Diese Leute verbieten das Heiraten und fordern den Verzicht auf bestimmte Speisen – auf Speisen, die doch von Gott geschaffen wurden, sodass die, die an ihn glauben und die Wahrheit erkannt haben, sie mit Dankbarkeit genießen können.“
(1. Timotheus 4:1, 3 NGU)
Katholische Lehren nach dem Tod des Paulus
Die Dreieinigkeitslehre, das Herzstück des katholischen Glaubens, entstand erst lange nach dem Tod von Paulus.
Ebenso die typische Marien-Verehrung und der "Heiligen"-Kult, also die Verehrung von verstorbenen Menschen, die die römische Kirche in einem zweistufigen Verfahren zu "Seligen" und dann "Heiligen" erklärt.
Dass die Seele unsterblich sei und nach dem Tod sofort in den Himmel aufsteige (ein katholischer Volksglaube), ist sogar durch Paulus in 2. Thessalonicher 4:13-16 widerlegt:
"Denn mit einem Ausspruch des Herrn kann ich euch versichern, dass sie uns gegenüber – soweit wir bei der Wiederkunft des Herrn noch am Leben sind – nicht benachteiligt sein werden. Denn der Herr selbst wird vom Himmel herabkommen. Ein Kommando wird gerufen; und die Stimme eines Engelfürsten und der Schall der Posaune Gottes werden zu hören sein. DANN werden zuerst die Menschen auferstehen, die im Glauben an Christus gestorben sind.“
(1. Thessalonicher 4:15-16 NBH)
Die Lehre von der Hölle kam unter diesem Namen erst zur Zeit von Martin Luther auf.
Die heutigen sieben Sakramente wurden erst im Jahr 1215 n. Chr. von der Kirche festgelegt. Sie basieren zwar teilweise auf biblischen Situationen (Taufe, Abendmahl, Hochzeit, Krankensalbung, Sündenbekenntnis, ...), aber ursprünglich war ganz sicher kein Berufspriester nötig, um diese Handlungen auszuführen.
Was fehlt noch?
Ach ja: Kirchensteuer und kirchliche Besitztümer! Zwar regte Paulus mehrmals eine Sammlung für eine bedürftige Gemeinde an; aber eine generelle Kirchensteuer, ausgedehnter Immobilienbesitz und Investments sind etwas anderes. Sie widersprechen dem Grundsatz aus Matthäus 10:
„Was ihr kostenlos bekommen habt, das gebt kostenlos weiter.“
(Matthäus 10:8b NBH)
Fazit:
Die Fehlentwicklungen und den Glaubensabfall der Römisch-Katholischen Kirche, die lange nach seinem Tod stattfanden, dem Apostel Paulus in die Schuhe zu schieben ist unsinnig.
Fünftes Gerücht widerlegt.