Gibt es "gottgefälligen Ungehorsam"?
17.07.2016
Für einen aufrichtigen Christen ist es das Wichtigste, Gott wohlgefällig zu sein in seinem Denken, Empfinden und Handeln. Unter "gottgefälligem Verhalten" versteht ein christlicher Zeuge Jehovahs primär das regelmäßige Verkündigen des Königreichs, ob formell von Haus zu Haus, mit dem Trolley oder informell. Was zählt noch dazu?
"Demut und die Bereitschaft zu gehorchen!" wird oft geantwortet. Daher lautete auch das Kongressmotto 2005 "Gottgefälliger Gehorsam" von Jehovahs Zeugen. Dort wurde das Thema sehr gründlich beleuchtet und in allen denkbaren Facetten durchgearbeitet.
Aber gibt es auch so etwas wie gottgefälligen UNgehorsam? Es ist wichtig, das herauszufinden, wenn wir Gott wirklich vollständig wohlgefallen möchten. Oder anders gesagt: Wenn wir nicht in die Schlinge eines unangebrachten Gehorsams tappen wollen. Es kommt also darauf an zu unterscheiden, unter welchen Umständen Gehorsam für einen Christen angebracht ist und unter welchen nicht.
Wann ist Gehorsam unangebracht?
Untersuchen wir also 25 Beispiele aus dem Bibelbericht – Beispiele für positiven Ungehorsam, und schauen wir, welches die genauen Umstände waren.
Gottgefälliger Ungehorsam gegenüber fremden Machthabern
1) Die hebräischen Hebammen PUA und SCHIPHRA gehorchten nicht dem Befehl Pharaos, die männlichen Neugeborenen der Hebräer umzubringen:
"Und der König von Ägypten sprach zu den hebräischen Hebammen, von denen die eine Schifra hieß und die andere Pua: Wenn ihr den hebräischen Frauen helft und bei der Geburt seht, dass es ein Sohn ist, so tötet ihn; ist's aber eine Tochter, so lasst sie leben. Aber die Hebammen ... taten nicht, wie der König von Ägypten ihnen gesagt hatte, sondern ließen die Kinder leben." (2. Mose 1:15-17, Luther)
Warum gehorchten sie nicht? "Die Hebammen fürchteten Gott." Schiphra und Pua kannten und liebten Gott. Zwar gab es noch nicht das geschriebene Gesetz, doch sie verstanden, dass es verkehrt ist Menschen zu ermorden. Erst recht kleine Kinder.
Warum gehorchte er nicht?
Weil Pharaos Befehl dem Plan Jehovahs widersprach, und weil Jehovahs Souveränität weit höher steht als die jedes menschlichen Herrschers.
3) Die drei hebräischen Jugendlichen SCHADRACH, MESCHACH und ABEDNEGO beugten sich nicht dem unreinen, götzendienerischen Kult um den König von Babylon und sein Standbild und riskierten damit die Todesstrafe. (Daniel 3:1-18)
4) Die STERNDEUTER aus dem Osten ignorierten die Anweisung von König Herodes, ihn über den Aufenthaltsort des designierten Königsbabys zu informieren. (Matthäus 2:7-12)
Gottgefälliger Ungehorsam gegenüber der Führung des eigenen Volkes
Warum gehorchten sie nicht? Schließlich war doch Saul der von Gott ausgewählte König, der "Gesalbte Jehovahs"?!
Die Priester von Nob hatten nichts getan, was die Todesstrafe verdiente. Außerdem war die Priesterschaft ebenfalls von Gott eingesetzt, also "gesalbt", und verdiente besonderen Respekt. Sauls Befehl wurzelte nicht in Gottes Gerechtigkeit, sondern allein in der persönlicher Missgunst Sauls gegenüber seinem (vermeintlichen) Konkurrenten David. Die Befehlsverweigerung der Leibwache zeigte daher Grundsatztreue und war mit Sicherheit gottgefällig.
6) URIAH befolgte nicht das Gebot seines Königs David, in sein eigenes Haus zu gehen und bei/mit seiner Frau zu schlafen, während seine Kameraden draußen auf dem Schlachtfeld waren. (2. Samuel 11:8-11)
7) PROPHETEN beachteten nicht das Gebot des Königs / die Meinung der Mehrheit, sie sollten nicht mehr ausrufen, was Jehova ihnen auftrug.
8) Davids Heeroberster JOAB verweigerte teilweise den Gehorsam, als sein König ihn beauftragte, das Kriegsvolk zu zählen. Er wusste, dass eine eigenmächtige Volkszählung ohne Jehovahs Befehl nicht in Ordnung war. Aus Protest führte er den Auftrag nicht vollständig aus:
9) JEREMIA rief weiter Jehovas Warnung aus, die Bewohner Jerusalems sollten sich den Babyloniern ergeben, was ihm vom König und den Fürsten als Loyalitätsbruch und Hochverrat ausgelegt wurde. (Jeremia 38:2-8)
Tolerierter Ungehorsam gegenüber
dem mosaischen Gesetz
10) Als der zum König gesalbte DAVID vor dem gesalbten König Saul floh, übertrat er ein mosaisches Gesetz und aß mit seinen hungrigen Männern die Schaubrote, die ihm Ahimelech, der Priester von Nob, bereitwillig überließ unter der Bedingung, dass die Essenden sich wenigstens sexuell enthalten hatten. (1. Samuel 20:3-6)
11) JOSEPH, der Verlobte Marias, ignorierte das mosaische Gebot, eine überführte Ehebrecherin zu Tode steinigen zu lassen, und wollte sich unauffällig von seiner schwangeren Verlobten scheiden lassen. Der inspirierte Bericht sagt sogar, dass Joseph "gerecht war, weil er sie nicht öffentlich zur Schau stellen wollte". (Matthäus 1:18, 19)
12) Der CHRISTUS ignorierte dasselbe Gebot bei einer ertappten Ehebrecherin. (Wo war übrigens der ertappte Ehebrecher?) Jesus sagte: "Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!" und verhinderte dadurch ihre Steinigung. (Johannes 8:4-11)
13) JESUS heilte am Sabbat eine verkrümmte Frau und übertrat damit nach Ansicht der Pharisäer und Schriftgelehrten das 4. mosaische Gebot, den Sabbat zu heiligen. (Lukas 13:10-17)
Gottgefälliger Ungehorsam gegenüber dem eigenen Ehemann
14) SARAH erinnerte ihren Mann Abraham fortgesetzt daran, dass ihr gemeinsamer Sohn Isaak ständig von seinem älteren Halbbruder Ismael gemobbt und drangsaliert wurde. Sie bat ihn immer wieder, Ismael samt seiner Mutter wegzusenden, obwohl das Abrahams Willen und Gefühlen SEHR widersprach. Da der kleine Isaak eine wichtige Rolle in Gottes Vorsatz spielen sollte, griff Jehovah schließlich persönlich ein:
Dann sprach Gott zu Abraham: „Möge dir nicht etwas, was Sara dir fortgesetzt über den Knaben und über deine Sklavin sagt, mißfallen. Höre auf ihre Stimme, denn durch Isaak wird sein, was dein Same genannt werden wird." (1. Mose 21:12)
15) JAEL übertrat das freundschaftliche Verhältnis ihres Mannes Heber zum unterdrückenden Kanaaniterkönig Jabin und tötete dessen Heerführer Sisera. (Richter 4:17-21)
16) ABIGAIL handelte entgegengesetzt zum Willen und der Einstellung ihres Mannes Nichtsnutz (Nabal), indem sie den hilfsbereiten Männern Davids, die er beschimpft und weggejagt hatte, mit großen Proviantgeschenken entgegen kam. So rettete sie das Leben ihres Mannes und ihrer gesamten Hausgemeinschaft. Sie bewahrte auch David davor, einen folgenschweren Fehler zu machen und Blutschuld auf sich zu laden, indem sie demütig, aber eindringlich mit ihm argumentierte. (1. Samuel 25:9-19)
Gottgefälliger Ungehorsam gegenüber religiösen und politischen Autoritäten
17) Der Prophet JEREMIA (Jirmejah) beugte sich nicht dem Befehl des Oberpriesters Paschhur:
Jeremia predigte auch nach körperlicher Züchtigung unbeirrt weiter, weil das Jehovahs unmittelbarer Auftrag an ihn war und er es gar nicht schaffte, die Botschaft bei sich zu behalten. (Jeremia 20:1-6)
18) JESUS verweigerte den Führern seiner eigenen Glaubensgemeinschaft (Pharisäer, Schriftgelehrte) den Gehorsam, indem er ihre menschliche Zusatzregeln anprangerte, mit denen sie Gottes Gebote unwirksam machten (kleinliche Sabbatvorschriften, Korban ...).
19) In der Auseinandersetzung mit den Pharisäern und Schriftgelehrten und auch in seinem Rechtsprozess verhielt JESUS sich unkooperativ, indem er die Antwort verweigerte.
20) Die APOSTEL ignorierten den strengen Befehl des höchsten jüdischen Gerichts, nicht mehr den Christus zu predigen: "Ob es in den Augen Gottes gerecht ist, eher auf euch zu hören – urteilt selbst!" – "Wir müssen Gott mehr gehorchen als Menschen."
Sonstige biblische Grundsätze
21) Sprüche 17:15 sagt: "Wer irgend den Bösen für gerecht erklärt und wer den Gerechten für böse erklärt – ja sie beide sind für Jehova etwas Verabscheuungswürdiges."
22) "Du sollst nicht der Menge zu üblen Zwecken nachfolgen; und du sollst in bezug auf einen Streitfall nicht so zeugen, daß du mit der Menge abbiegst, um das Recht zu beugen." (2. Mose 23:2)
Zu Punkt 21) und 22) ein neuzeitliches Beispiel:
Ein Zeuge Jehovahs begründete in einem Brief seine Weigerung, einen gewissen Glaubensbruder zu meiden:
"In Anbetracht der Ermahnungen der Bibel, andere nicht zu richten, habe ich eine gesunde Angst davor, mich selbst (oder jemand anders oder eine Gruppe) zum Gesetzgeber zu machen und fühle mich gezwungen, das Richten allein dem Wort Gottes zu überlassen. Um das tun zu können, muss ich sicher sein, nicht lediglich einem von Menschen erdachten Maßstab zu folgen, der sich selbst als göttlich hinstellt, aber in Wirklichkeit nicht inspiriert ist und von Gott nicht gestützt wird. Ich möchte mir nicht anmaßen und so unverschämt sein, jemand zu verurteilen, den Gott in seinem Wort nicht ebenso verurteilt (Römer 14:4, 10-12; Jakobus 4:11, 12 ...)."
Siehe auch die Einleitung im "Kommentar zum Jakobusbrief" (cj-X), herausgegeben von Jehovahs Zeugen.